Die Beschreibung von [Ort]
Ein Film über die Suche nach Spuren
Milano, 2023
Bei der Gestaltung eines jeden [ORT] orientieren wir uns an einem individuellen Thema,
inspiriert von der Stadt und lokalen Umgebung des [ORT].
So entsteht in jedem Hotel ein eigenes kleines Universum
mit einer ganz eigenen, einzigartigen Persönlichkeit.
Das unterstreicht den [ORT] Spirit:
von Lounge bis Gästeküche, von Gamezone bis Bar
Living, Leisure, Work und Home.
Alles ist möglich bei [ORT]!
Vergeblich, werde ich versuchen, dir [ORT] zu beschreiben.
Ich könnte dir sagen, wie viele Stufen die treppenförmigen Straßen haben,
welche Wölbung die Bögen der Arkaden,
mit was für Zinkplatten die Dächer gedeckt sind;
aber ich weiß schon, daß es so wäre, als würde ich dir nichts sagen.
Nicht daraus besteht [ORT], sondern aus Beziehungen
zwischen den Maßen ihres Raumes und den Ereignissen ihrer Vergangenheit.
Eine Beschreibung von [ORT], wie es heute ist,
müßte die ganze Vergangenheit von [ORT] enthalten.
Aber [ORT] erzählt ihre Vergangenheit nicht,
sie enthält sie wie die Linien einer Hand,
eingeschrieben in die Ränder der Strassen, die Gitter der Fenster,
die Handläufe der Treppengeländer,
die Antennen der Blitzableiter,
die Masten der Fahnen,
jedes Segment seinerseits schraffiert von Kratzern,
Sägespuren,
Kerben und Schlägen.
Dorfbau
Strategie zur überformung einer landläufigen Typologie
UdK-Berlin, 2020
Grund und Boden der Schweiz
Am 10. Febuar 2019 wurde in der Schweiz per Volksabstimmung über die von den
Jungen Grünen Schweiz lancierte „Zersiedelungsinitiative“ entschieden. Ihr ging ein
intensiver Abstimmungskampf voraus, der die Frage, wie wir mit der endlichen Res-
source Boden umgehen wollen, zum breit diskutierten Thema machte. Obwohl weitestgehend Einigkeit darüber bestand, dass das aktuelle Vorgehen zur Schaffung von
neuem Wohn- und Arbeitsraum und der damit verbundene Verbrauch an Kulturland
bzw. an unversiegelten Flächen längerfristig nicht aufgehen wird, wurde die Initiative
abgelehnt. Aber auch Vorstöße aus dem politisch konträren Lager bedienen sich dieser
Thematik. Bei den diesbezüglich geführten Debatten spielen neben den rationalen Aspekten immer auch soziale und kulturelle Themen eine entscheidende Rolle. Die dabei
oft dargestellten Zusammenhänge, wie jene zwischen Migration und Bodenverbrauch,
müssen dabei kritisch hinterfragt werden.
Das Bild der Schweiz
Die verwendete Bildrhetorik bei Abstimmungs- und Wahlplakaten der Parteien zu
beiden Seiten des politischen Spektrums repräsentieren eine nach wie vor weit verbreitete Sichtweise auf die Schweiz als Land, bestehend aus wenigen mittelgroßen Städten,
eingebettet in eine Landschaft aus Natur mit vereinzelten, kompakten Dörfern. Die
in diesem Bild enthaltene strikte Unterteilung in Stadt und Land wird dabei nicht nur
als Eigenschaft einer intakten, traditionellen Schweiz angesehen, sondern stellt auch
ein gern rezipiertes Identitätsmerkmal dar. Dass diese Lesart der Schweiz seit dem
Beginn der Industrialisierung fortwährend an Schärfe eingebüßt hat und heute quasi
vollständig obsolet geworden ist, wird bei einer nüchternen Betrachtung des Landes
aber offensichtlich.
Das vom ETH Studio Basel erarbeitete Werk „Die Schweiz. Ein städtebauliches Portrait“ führte 2005 eine zeitgemäßere Möglichkeit ein, die unterschiedlichen Regionen
der Schweiz differenziert zu betrachten und städtebaulich zu begreifen. Die darin
enthaltene Analyse machte eine dezentral urbanisierte Schweiz sichtbar, in der fünf
landschaftliche Typen ausgemacht werden können, die jeweils unterschiedliche urbane Potenziale aufweisen. Prägend für dieses Bild waren unter Anderem weitgreifende raumplanerische Entscheidungen in den 1950er Jahren, welche die Strategie einer geordneten, dezentralen Konzentration verfolgten. Es sollten neue, so genannte
Mittelstädte mit zehn- bis dreißigtausend Einw. außerhalb der bestehenden Städten
geschaffen werden.
Diese Pläne wurden jedoch, mit Ausnahme der Autobahn, nicht in die Realität umgesetzt. Genau diese stellte schließlich sich als starker Gegenspieler der geordneten
Dezentralisierung und als Förderer der Zersiedelung und des Entstehens großer Ballungsräume heraus. Grund für das Scheitern der ursprünglichen Idee waren vor allem
der Wiederstand der autonom handelnden Gemeinden.
Der in den folgenden Jahrzehnten weitergeführte Ausbau der Verkehrsinfrastruktur
war neben den Veränderungen von sozialen Strukturen (vgl. Thomas Sieverts: Zwischenstadt) mit ein Grund für das kontinuierliche Wachsen von vernetzten, polyzentrischen Regionen und die damit verbundene Urbanisierung der Landschaft, sowie
einer vermehrten Streuung bzw. Diffusion der Zentralität. Regulierungsmaßnahmen
wie das 2014 ergänzte Raumplanungsgesetz, das als primäres Steuerungsinstrument
des Bundes fungiert, wie auch die kantonalen Richtpläne erfüllen ihre Ziele angesichts
der möglichen Handlungsspielräume auf kommunaler Stufe nur bedingt.
Trotz dieser offensichtlichen Veränderungen dient das medial reproduzierte Bild einer
dörflich-ländlichen Schweiz in aktuellen Debatten und Diskussionen nach wie vor als
Referenzpunkt und erschwert die Erkennbarkeit raumplanerischer Potentiale. Der Architekturkritiker Benedikt Loderer schreibt dazu in seiner polemisch verfassten Streitschrift „Die Landesverteidigung“: «Aus der einen machen wir stillschweigend zwei
Schweizen: Die reale Schönschweiz und die verdrängte Verbrauchsschweiz, die, nach
der wir uns sehnen, und die, in der wir leben.»
Das Einfamilienhaus als Symbol
Eine prägende Rolle in raumplanerische Debatten spielt immer auch das Einfamilienhaus und zwar in zweideutiger Weise. Einerseits als Objekt der kollektiven Begierde,
als Symbol jener imaginären Schweiz in jungfräulichem Zustand, als kleine Insel der
Ordnung in der Unvorhersehbarkeit des modernen Lebens, oder wie es Felix Keller
in seinem Referat «Vergesst das Einfamilienhaus» beschreibt: «Das Einfamilienhaus
erzeugt einen Raum, der nicht einer übergeordnete gesellschaftlichen Funktionslogik
unterworfen scheint, sondern der selbst zum Funktionieren gebracht werden muss.»2
Andererseits steht es aber auch symbolhaft für die Zerstörung eben dieser ursprünglichen Schweiz. Es dient als ein konstantes Negativbild zu der Wechselhaftigkeit möglicher Zukunftsstrategien und als Inbegriff von Kleinbürgerlichkeit.
Die Ursache des Begehrens nach dieser Wohnform liegt jedoch nicht grundsätzlich in
der Wertvorstellung ihrer Bewohner sondern unterliegt vielmehr einer äußeren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Logik. Somit ist auch der stetige Zuwachs an neuen
Einfamilienhaussiedlungen eng mit den Interessenverhältnissen wirtschaftlicher Akteure wie Gemeinden, Grundbesitzern, Unternehmern usw. verbunden.
Chancen und Ziele
Die angestrebte Verminderung des Bodenverbrauchs erfordert Maßnahmen in verschiedensten Bereichen und doch ist die Einfamilienhaustypologie ein entscheidender. Immer wieder unter dem Begriff der Verdichtung propagierte Strategien scheinen
allerdings, vor allem in periurbanen Gebieten, ihre Wirkung zu verfehlen. Einerseits
erweist sich der Föderalismus hierbei wiederum als hindernde Kraft und andererseits
verfehlen angewendete Praktiken, wie die Aufzonung von Siedlungen, ihre Wirkung
dadurch, dass sie keine Alternative zum EFH bieten, sondern eine andere Zielgruppe bedienen. Zudem verunmöglichen die durch die kommunal verordnete Bau- und
Zonenordnung festgesetzten Bestimmungen alternative Eigenheimtypologien und
führen unabdingbar zu der so oft kritisierten Flächenineffizienz und aus isolierten
Baukörpern zusammengesetzten Dorfmorphologie.
Es müssten stattdessen Strategien entwickelt werden, welche die Qualitäten des Bestehenden akzeptieren und Anreize zu einer Überformung schaffen, ohne den Traum
vom Eigenheim zu denunzieren. Ein großes, bisher ungenutztes Potenzial liegt z.B. in
der Auslastung der Häuser, die sukzessiv abnimmt, beginnend mit dem Wegzug der
Kinder. Vor allem finanzielle Faktoren verhindern hier die situationsbedingte Fluktuation, wie sie beispielhaft in Mietwohnung vonstatten geht. Entwicklungsmöglichkeiten finden sich auch in der Freiraumgestaltung. Die die Gebäude allseitig umgebende
Abstandsflächen übersteigen oft die Kapazität privater Gärtner/innen und werden
daher zu pflegeleichteren Gesteinslandschaften transformiert.
Eine Überlagerung bzw. Weiterentwicklung des Bestandes könnte neben der verbesserten Flächeneffizienz auch neue räumliche Qualitäten schaffen und zwar hinsichtlich der Grundrissgestaltung wie auch der Ausformulierung von Freiräumen und des
öffentlichen Raums.
Haus ohne Adresse
Eine feministische Architektur für gemeinschaftliches Wohnen in Frauen*häusern
UdK-Berlin, 2020
Frauen*häuser sind über ihre Funktion als Schutzort für bedrohte Frauen* hinaus, auch eine besondere Variante des alternativen Wohnungsbaus. Durch sie wird der Kampf gegen häusliche Gewalt und für selbstbestimmtes Leben von Frauen* räumlich manifestiert. Gleichzeitig bekommt die Kritik am konservativem Wohnungsbau, einen räumlichen Ausdruck. Denn Frauen*häuser bieten eine alternative Wohnform an, in der ein Leben in Gemeinschaft, abseits von normativen Familienbildern, erprobt werden kann.
Gedanken in einer Neubauwohnung
Atmosphärische Auseinandersetzung
mit dem eigenen Wohnumfeld
Umzug aus einer Wohnung in Neukölln. Vorher: Blockrand, Vorderhaus, erster Stock, lichte Raumhöhe drei Meter. Die Wohnung wirkt großzügig, eingebettet in einen dichten Kontext. Hinterhof im Süden – dunkel und funktional auf die Müllentsorgung und geparkte Fahrräder beschränkt. Fenster zur Straße nach Norden, die Blätter der Bäume filtern das Tageslicht. Autoreifen über Pflaster, Gespräche und Geräusche von Gegenüber und Nebenan. Oben, ein schmaler, streng gefasster Ausschnitt Himmel. Es dominiert die Vertikale.
Das Neue beginnt in der Lobby, Zimmerpflanzen und Sitzbänke. Fahrt mit dem Aufzug nach oben, erste Ausblicke auf dem Weg zur Wohnung geben einem das Gefühl von Höhe. Nach Betreten der Wohnung sofort die Terrasse. Das Erste, was auffällt: der Wind. Assoziationen zu einem Schiff, dem Stehen an einer Reling. Der Himmel dominiert den räumlichen Eindruck. Die Stadt wirkt abstrakt, zweidimensional, landschaftlich. Ebenso die Geräusche. Sie sind schwer zu lokalisieren, undeutlich, vermischen sich zu einem Rauschen. Einzelne Fragmente treten hervor und verschwinden wieder.
Wetterstation. Auch in der Wohnung. Die dreiseitige Ausrichtung erlaubt den Blick auf verschiedene Stadteile und Wettersituationen. Regenschauer bewegen sich als Säulen über die Stadt – Steglitz im Dunst, Wedding im Licht. Man wird zum Betrachter, zum Außenstehenden. Der umlaufende Dachrand verwehrt den Blick auf die unmittelbare Umgebung des Hauses. Es dominiert die Horizontale.
Nina Vollbracht, Architektin M.A. UdK-Berlin
2022 Wissenschaftliche Mitarbeiterin, RWTH Aachen Lehrstuhl und Institut für Wohnbau und Grundlagen des Entwerfens
2021 Weber Brunner Architekten, Berlin - Zürich
2020 M.A. an der Universität der Künste, Berlin
2016 B.A. an der Technischen Hochschule, Nürnberg